Exoten aus Chile

Neujahr ist vielleicht die beste Zeit, mit etwas ganz Neuem anzufangen. Und was könnte aufregender sein, mit Pflanzen aus Südamerika zu experimentieren... Aber wenn die Rede von Südamerika ist, so denken wir gleich an die zarten tropischen Pflanzen, die in Europa nur von Experten unter besonderen Bedingungen gezüchtet werden können. Die chilenischen Anden haben ein Klima, das kälter ist, als die meisten Gegenden in Österreich, und so sind viele chilenische Arten auch sehr winterhart und können im Freien angebaut werden. Und 50 % aller chilenischen Arten sind endemisch und Ihre Entwicklung ist in Zeit stehen geblieben, so dass es sich wahrlich um die verlorene Welt von Conan Doyle der Pflanzen handelt. Obwohl viele Arten in vergangenen Jahrhunderten nach Europa schon ausgeführt und in Kultur genommen wurden, und jetzt kaum noch als chilenisch empfindet werden (etwa die Pantoffelblumen), Chile hat noch vieles Interessantes zu bieten. Hier sind einige Anregungen, wie man sich überraschen lassen kann.

Pflanze, die höher als Montblanc wächst

Die Gattung Caiophora ist ausschließlich auf Südamerika beschränkt. Eine sehr schöne und ausdauernde Art dieser Gattung ist Caiophora coronata, die im deutschen Sprachraum kaum bekannt ist. Die Pflanze zeichnet sich aus durch die großen, meist weißen Blumen, die über 5 cm in Durchmesser erreichen, und die am Boden dicht liegend die ganze Pflanze umräumen. In Chile wächst sie in Hochlagen der Anden, und kann auf einer Höhe bis 5000 m gefunden werden, was auch bedeutet, dass diese Art mit dem zentraleuropäischen Klima ganz zu Recht kommt. In Kultur ist diese Art sehr einfach zu handhaben, hat keine besondere Ansprüche, wichtig ist es nur, gute Drenaige zu gewährleisten und mit Bewässerung spärlich umzugehen.

Foto

Caiophora coronata

Brennkraut, das nicht sticht

Die stehenden Haaren, die die meisten Arten von Caiophora und Loasa aufweisen (und C. coronata ist nicht gerade eine Ausnahme) und dank welchen diese auch den Namen Brennkraut verdient haben, haben das Vordringen dieser Arten in den europäischen Gärten etwas gebremst. Aber Loasa lateritia (nicht mit der argentinischen Caiophora lateritia zu verwechseln!) hat eben dieses Problem nicht. Es ist eine Art, die dank ihrer kräftigen Rhizomen, größere Kolonien schnell bilden kann und mit prachtvollen, roten Blumen auf aufrechten Stielen bestimmt zu einem Anziehungspunkt wird.

Veilchen, die nicht so, wie die Veilchen sind

Falls die vorhergehende Familie der Blumennesselgewächse doch zu abenteuerlich erscheint, vielleicht sind die alpine Veilchen eine interessante Alternative. Wenn wir über Veilchen denken, dann stellen wir uns etwa die Waldveilchen oder die noch banalere Stiefmütterchen vor. Es gibt aber eine Reihe von chilenischen Rosettenveilchen, die vollkommen diesen Stereotyp brechen: die Viola atropurpurea wächst in gedrängten, kompakten Rosetten, die wie kleine, außerirdisch wirkende Türme auf dem monotonischen Hochandenplateau hier und dort herausragen, und kann somit besser die meterhohe Schneedecke und ständige, eiskalte Windstürme aushalten, und die grau-braune Farbgebung der Blätter macht es den herumwandernden Guanacos etwas schwieriger, die Pflanze zu finden. Nur während der kurzen Sommer können die zarten Blumen einen flüchtigen Blick auf die weit entfernten Gletscher und Vulkane durch den dichten Panzer der kleinen, steifen Blätter werfen. Viola cotyledon, auch eine Rosettenpflanze, wächst in weniger extremen Lagen, und deshalb hat größere, blaue oder weiße Blumen, die im Sommer die ganze Pflanze bedecken können. Beide Arten sind in Kultur relativ anspruchslos und werden bestimmt unter Alpengartenliebhaber viele Anhänger finden.

Foto

Viola atropurpurea

Die Wüste im Garten

Eine ganz andere Quelle für die exotischen Pflanzen ist die chilenische Atacamawüste, eine der trockensten der Welt. Man könnte sich fragen, wie man in Zentraleuropa erfolgreich die Arten aus einem Lebensraum, wo es niemals Frost gibt und die Regenmenge zwischen 10 und 50 mm. liegt, züchten kann. Im Falle von Zwiebelpflanzen ist es sehr einfach, da die Vegetationsperiode nur 2 bis 3 Monate dauert. Die Zwiebeln müssen in Frühling, etwa Ende Mai, ausgepflanzt sein, wenn schon keine Gefahr für Frost besteht, in einem armen Substrat mit sehr guter Drenaige (Sand/Vermiculite), an einem Ort mit etwas Schatten. Es reicht, ein paar Mal reichlich zu wässern, und die meisten Arten beginnen nach ca. 45 Tagen zu blühen. Dann sollte die Bewässerung völlig abgestellt werden und nach 3 Monaten ist es alles vorbei. Die Zwiebeln müssen ausgegraben werden, und bei Raumtemperatur bis zur nächsten Saison aufbewahrt werden (niemals in Kaltlagerung). Auf dieser Weise könnte man mit den Leucocorynen (Sonnenprachtlilien) anfangen, z. B. mit Leucocoryne coquimbensis var. alba, die von rein weiß bis blau erhältlich ist, oder Leucocoryne purpurea, die auch allmählich in den europäischen Markt vordringt. Insgesamt stehen ungefähr 12 Arten dem experimentierfreudigen Gärtner zur Verfügung.

Schneekakteen

Die Kakteen von Chile auch bieten einige Überraschungen – nach mehreren Monaten unter Schnee wachen die Maihuenia poeppiggii aus dem Winterschlaf. Neben der chilenischen Art, gibt es nur ein naher Verwandter, M. patagonica, der in Argentinien wächst. Maihuenia wächst sehr schnell und bildet Kolonien, die mehrere Meter in Durchmesser erreichen können. Es ist ein Allrounder, kann von +35º C bis -20º C ohne Weiteres aushalten. Und das Beste ist, dass die Früchte dieser Art essbar sind, mit einem Geschmack, der an die Papaya erinnert. Und falls man beanstandet, dass diese Art nicht so ganz, wie die “richtigen” Kakteen aussieht – schließlich sind die Pflanzen mit kleinen Blättern bedeckt – da kann man auch auf Austrocactus philippii zugreifen, der mit kleinen, 10 cm. hohen Säulen vollständigen dem klassischen Typ wohl entsprechen wird und dazu noch kältebeständiger ist.

Foto

Austrocactus philippii

Die chilenischen Pflanzen stammen aus sehr extremen Lebensräumen und ihre Formen sind Abspiegelungen dieser seltsamen Umgebung, und wenn wir diese exotische Pflanzen züchten, so bekommen wir auch einen Einblick in diese verlorene, uns kaum bekannte Welt.